Geschichte

Wir versuchen mit dieser Webseite die öffentliche Wahrnehmung auf die medizinische Notfallversorgung im ländlichen Raum des Kantons St. Gallen zu lenken. Warum machen wir das? Dahinter steckt eine lange Geschichte. Folgend möchten wir exemplarisch die Geschehnisse der letzten Jahre rund um die Gesundheitsversorgung im Toggenburg beleuchten und einordnen.

Neubau Spital Wattwil

Beginnen möchten wir mit unseren Ausführungen im Jahr 2014. Damals entschied die St. Galler Stimmbevölkerung, dass an neun kantonalen Spitalstandorten teilweise massive bauliche Investitionen vorgenommen werden sollen. Auch am Standort Wattwil, wo die Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit entschied, dass ein Neubau erstellt wird.

Schliessung Spital Wattwil

Im Jahr 2018 war die feierliche Eröffnung des Spitalneubaus in Wattwil geplant. Der Neubau konnte auch pünktlich eröffnet werden, die feierliche Stimmung blieb jedoch aus. Denn wenige Tage vor dem Eröffnungsakt wurde kommuniziert, dass das Spital in Wattwil sowie vier weitere Spitalstandorte im Kanton geschlossen werden sollen.

Die SVP Kanton St. Gallen begann im Frühjahr 2019 mit der Unterschriftensammlung für die kantonale Initiative «Für eine sichere stationäre Notfallversorgung in allen Regionen im Kanton St.Gallen». Die Initiative wollte – wie der Name bereits verrät – im ganzen Kanton eine qualitativ hochwertige stationäre Notfallversorgung sicherstellen. Die Initiative wurde nicht eingereicht, denn die Regierung hat als Antwort auf die Initiative ihre Strategie in diesem Punkt verbessert. Die Vernehmlassungsvorlage, die im Herbst 2019 versandt wurde, sah an den aufzuhebenden Spitalstandorten die Errichtung von Gesundheits- und Notfallzentren (GNZ) vor. Ein St. Galler Pionierprojekt – vor allem für den ländlichen Raum – war geboren.

Für die politischen Entscheide im Kantonsrat hatte die Regierung gut taktiert: Auch wenn sie eigentlich bevorzugt weitere Spitalstandorte geschlossen hätte, konnte sie mit den vier verbleibenden Spitälern eine Mehrheit im Rat gewinnen.

Politische Einordnung von Kantonsrat Ivan Louis

«Irgendwann war klar, dass wir im Kantonsrat keine Mehrheit für den Erhalt eines Mehrspartenspitals in Wattwil gewinnen können. Von da an ging es für mich darum, eine möglichst gute Lösung für die ländlichen Regionen – aufgrund der geografischen Lage vor allem dem Toggenburg – zu finden. Und den Prozess so demokratisch wie möglich zu gestalten. Beide Anliegen sind im Kantonsrat gescheitert. Auch wegen vorauseilendem Regierungsgehorsams aus dem Toggenburg.»

Ivan Louis, Kantonsrat SVP, Mitglied Spitalkommission

Scheitern der Regierungslösung

Als Demokraten mussten wir diesen Mehrheitsentscheid akzeptieren. Im Abstimmungskampf machten die Befürworter der regierungsrätlichen Lösung zahlreiche Versprechen. Diese waren wenige Wochen nach dieser Volksabstimmung nichts mehr wert, denn die Solviva AG warf das Handtuch und zog sich von den Abmachungen zurück. Die Regierungsbotschaft sah vor, dass die Solviva AG die Liegenschaften in Wattwil übernimmt und ein Gesundheits-, Notfall- und Pflegezentrum betreibt. Mit dem Scheitern der Regierungslösung stand das Toggenburg vor einem Scherbenhaufen.

Lösung der Standortgemeinde

Nachdem der Kanton seine Versprechen für den Standort Wattwil nicht einhalten würde, sprang die Gemeinde Wattwil in die Bresche. Als Standortgemeinde hat sie ein grosses Interesse, dass der Spitalneubau nicht zur Brache wird. Mit der Berit Klinik konnte eine geeignete Partnerin gefunden werden, die in Wattwil das GNZ betreiben würde. Die Spitalliegenschaften wurden durch eine Aktiengesellschaft der Gemeinde Wattwil erworben. Seit 1. April 2022 ist die Berit Klinik am Standort Wattwil erfolgreich unterwegs.

Trotz aller politischen Widrigkeiten konnte eine gute Lösung gefunden werden: Durch den Verkauf der Liegenschaften an die Gemeinde wurden die grossen öffentlichen Investitionen der letzten Jahre nicht an Private verscherbelt. Die Berit Klinik konnte sich in kurzer Zeit mit dem GNZ sowie weiteren Angeboten in Wattwil etablieren. Und weitere Mieter aus dem Gesundheitsbereich füllen die Liegenschaft allmählich. Für den ländlichen Raum im Kanton St. Gallen ist das Signal klar: GNZ können funktionieren und stellen einen zentralen Aspekt für die Notfallversorgung dar.

Sabotage durch Gesundheitsdepartement?

Ein glückliches Ende einer langwierigen Geschichte? Leider geht es weiter: Für das Gesundheitsdepartement sind die funktionierenden Strukturen in Wattwil anscheinend ein Problem. Nur so kann erklärt werden, weshalb es in den vergangenen Monaten zu verschiedenen Akten kam, die den Betrieb des GNZ in Wattwil gefährden.

Die Antwort auf eine Einfache Anfrage von Martin Sailer (SP, Unterwasser) ist für die Regierung entlarvend. Einerseits gesteht das Gesundheitsdepartement ein, dass es fürs GNZ Wattwil deutlich weniger Zuweisungen gibt als möglich und sinnvoll. Der Rettungsdienst wurde anscheinend aus nicht-medizinischen Gründen angewiesen, das GNZ Wattwil zu umfahren.  Andererseits kommunizierte das Gesundheitsdepartement in der Antwort, dass das GNZ Wattwil seit 1. November 2023 Notfallpatientinnen und -patienten nur noch während zwei Nächten betreuen darf (bzw. nur dann dafür bezahlt wird). Das ist eine willkürliche Unterscheidung, die nicht auf medizinischen Überlegungen basiert, sondern einzig aus politischen Motiven vorgeschrieben wird. Für diese Massnahme fehlt dem Gesundheitsdepartement die Rechtsgrundlage. Gemäss öffentlichen Aussagen der Berit Klinik wurde eine solche Absprache nicht im Leistungsvertrag festgeschrieben. Das Gesundheitsdepartement beruft sich auf die Vorlage zur neuen Spitalstrategie, worin 24 Stunden für das GNZ ständen. Wir erinnern uns: Die Vorlage wurde gerade am Standort Wattwil in wesentlichen Teilen nicht umgesetzt. Einen einzelnen Aspekt nun noch durchsetzen zu wollen, ohne dass er gesetzlich festgeschrieben wäre, ist der Versuch juristischer Rosinenpickerei.

Will man die Berit Klinik loswerden?

In den nächsten Monaten muss man leider mit weiteren Beschränkungen für die GNZ rechnen. Diese zeichnen sich bereits ab.

Die seit 1. November 2023 neu durchgesetzte Rechtsauffassung des Gesundheitsdepartements soll per 1. April 2024 in der neuen Spitalliste festgeschrieben werden. Damit sollen Spitalaufenthalte in der Notfallversorgung auf höchstens zwei Nächte beschränkt werden.

Im Oktober hat die Regierung dem Kantonsrat Botschaft und Entwurf zur «Anpassung der Organisationsstruktur der Spitalverbunde» zugeleitet. Neben vielen sinnvollen und vom Kantonsrat bestellten Änderungen enthält die Vorlage auch Punkte, die für alle GNZ-Standorte im Kanton negativ sein werden. Der Kantonsrat wird geneigt sein, diese Vorlage zu unterstützen, wenn wir die problematischen Anpassungen nicht aufzeigen können. Deshalb haben wir klare Forderungen an Regierung und Kantonsrat zusammengestellt, wie die Vorlage im Sinne der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum angepasst werden kann.